Eine kurze Einführung in CO₂-Zertifikate: Was steckt dahinter und wie tragen sie zum Klimaschutz bei?
Als Folge der weltweiten COVID-19-Pandemie wurde im Jahr 2020 der stärkste jährliche Rückgang der weltweiten Kohlenstoffemissionen verzeichnet. Dieser Rückgang hielt jedoch nur kurz an, denn im Folgejahr stiegen die weltweiten CO2-Emissionen rasch wieder auf ein höheres Niveau als vor der Pandemie, mit einem Anstieg von 6,3%.
Auch heute stoßen wir jedes Jahr weiterhin zusätzliche Kohlenstoff-Emissionen aus. Wenn wir nicht verhindern, dass mehr Emissionen in die Atmosphäre gelangen, als die Erde aufnehmen kann, werden die globalen Temperaturen weiter ansteigen. Um jedoch das 1,5°C-Szenario des Pariser Abkommens zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen drastisch reduziert werden, damit die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels vermieden werden können. Unternehmen und Organisationen müssen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um diese erheblichen Emissionsreduzierungen zu erreichen. Darüber hinaus wird es zu einem wesentlichen Bestandteil von “Net-Zero” Strategien, der Atmosphäre mit naturbasierten und technischen Lösungen aktiv CO2 zu entziehen.
Der IPCC betont, dass Carbon Dioxide Removal (CDR) erforderlich ist, um “globale und nationale Ziele von Net-Zero CO2 und Treibhausgasemissionen zu erreichen. CDR kann keine sofortige und tiefgreifende Reduzierung der Emissionen ersetzen, ist aber Teil aller modellierten Szenarien, die die globale Erwärmung bis 2100 auf 2° oder weniger begrenzen."
Bevor wir uns in den nächsten Blogartikeln eingehender mit CO2 Senkleistungen und Net-Zero Strategien befassen, möchten wir zunächst eine kurze Einführung in CO2-Zertifikate (engl. carbon credits) geben.
Dabei beantworten wir folgende Fragen:
Beim Emissionshandel unterscheidet man zwischen dem freiwilligen CO2-Markt und dem staatlich regulierten Emissionshandel. In diesem Artikel befassen wir uns mit dem freiwilligen CO2-Markt und lassen regulierte CO2-Märkte (z.B. das Europäische Emissionshandelssystem, EU ETS) außen vor.
Auf den Punkt gebracht, sind CO2-Zertifikate messbare und überprüfbare Emissionsreduktionen aus zertifizierten Klimaschutzprojekten. Diese Projekte können auf dem freiwilligen CO2-Markt in zwei verschiedene Arten von Gutschriften unterteilt werden: Vermeidungsgutschriften (engl. Avoidance Credits) und Entfernungsgutschriften (engl. Removal Credits).
Vermeidungsgutschriften stammen aus Projekten, die auf die Vermeidung oder Verringerung der Emissionserzeugung abzielen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Projekte, die die Abholzung von Wäldern verhindern, da dadurch die Freisetzung von Treibhausgasen, die durch die Abholzung entstanden wäre, vermieden werden konnte.
Demgegenüber entstehen Entfernungsgutschriften in Verbindung mit Projekten, die die bestehenden CO2-Emissionen in der Atmosphäre verringern. Bei diesen Projekten werden unterschiedliche Ansätze zur Emissionsenkung angewandt. Naturbasierte Lösungen, wie die Aufforstung, beinhalten die Einführung von Bäumen in zuvor nicht bewaldete Gebiete und binden so CO2 aus der Atmosphäre. Technologiebasierte Lösungen, wie die Erzeugung erneuerbarer Energie, helfen, Emissionen zu reduzieren, indem sie fossile Energiequellen ersetzen.
Sowohl Avoidance als auch Removal Credits entsprechen einer Tonne Kohlenstoffdioxid oder der entsprechenden Menge eines anderen Treibhausgases, das reduziert, gebunden oder vermieden wurde. Sobald das Zertifikat im Register des jeweiligen Standards des Projekts stillgelegt wird, ist er nicht mehr handelbar.
An der Erstellung von CO2-Zertifikaten sind mehrere Akteure beteiligt, die alle maßgeblich zur Gewährleistung der Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der Projekte beitragen. Zunächst identifizieren Projektentwickler Initiativen, die zu verifizierbaren Emissionsreduktionen oder -entfernungen führen können. Diese Entwickler können private Unternehmen, gemeinnützige Organisationen oder sogar staatliche Behörden sein. Sie entwickeln Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien, Aufforstung oder Verbesserung der Energieeffizienz. Es muss nachgewiesen werden, dass diese Projekte strenge Qualitätskriterien erfüllen. Dies erfordert eine spezifische Methodik, die auf die Art des beteiligten Projekts abgestimmt ist. Projektentwickler, wie Pina Earth, sind verantwortlich für die CO2-Berechnung, die Projektdokumentation und den Validierungsprozess.
Die Umsetzung des Projekts erfolgt dann durch den Projektträger. Sobald ein Projekt durchgeführt wird, kommen unabhängige Drittprüfer oder Verifizierer ins Spiel. Sie bewerten die Einhaltung bestimmter Standards und Methoden des Projekts und verifizieren die Emissionsreduktionen. Diese Prüfer stellen die Genauigkeit und Transparenz der Daten und Berechnungen sicher, die mit dem Projekt verbunden sind. Ihre Expertise und Unparteilichkeit sind entscheidend für die Integrität der CO2-Zertifikate.
Bei Pina Earth beginnt dieser Prozess mit dem ersten Kontakt zum Waldbesitzer. In enger Zusammenarbeit wird das Projektgebiet definiert, die Daten der Forstinventur werden überprüft und die erforderlichen Waldumbaumaßnahmen festgelegt. Sobald der Projektvertrag zwischen Pina Earth und dem Waldbesitzer unterzeichnet ist, simuliert Pina Earth das Potenzial der CO2-Senkleistung. Nachdem der Projektplan finalisiert ist, werden unabhängige Auditoren hinzugezogen. All unsere Projekte werden vom TÜV Nord geprüft. Die bisherigen Projekte wurden unter den Leitlinien der ISO Norm 14064-2 auditiert. In Zukunft entwickelt Pina Earth auch Projekte unter dem Wald-Klimastandard, einem von dem Ecosystem Value Association e.V. gegründeten Qualitätsstandard für Klimazertifikate aus deutschen Wäldern.
Obwohl CO2-Zertifikate von vielen als wirksamer Hebel gegen den Klimawandel anerkannt sind, sind sie nicht ohne Schwachstellen. Eine bedeutende Herausforderung besteht darin, robuste Systeme zur Überwachung, Berichterstattung und Verifizierung (MRV) aufzubauen und aufrechtzuerhalten. MRV ist entscheidend, um Emissionsminderungen oder -senkungen genau zu quantifizieren und die Glaubwürdigkeit der CO2-Zertifikate zu gewährleisten. Die Entwicklung standardisierter und zuverlässiger MRV-Methoden, die auf verschiedene Projekte und Sektoren angewendet werden können, kann eine schwierige Aufgabe sein. Es erfordert sorgfältige Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie Basislinienemissionen, Projektgrenzen und "Leakage" (ungewollte Nebeneffekte), um die Nettowirkung eines Projekts genau zu messen.
Darüber hinaus befürchten einige Stakeholder, dass die Verwendung von CO2-Zertifikaten die Bemühungen von Unternehmen zur Reduzierung ihrer Emissionen in ihren Betrieben und Lieferketten behindern, verzögern oder sogar ersetzen könnte. Das Fehlen klarer und transparenter Leitlinien für die freiwillige Nutzung von CO2-Zertifikaten zur Unterstützung glaubwürdiger Ansprüche hindert Investoren und Verbraucher daran, ihr Kapital zur Förderung von nachhaltigen Initiativen zu nutzen. Es ist wichtig, eine Balance zwischen der Nutzung von CO2-Zertifikaten als wertvolles Instrument zur Emissionssenkung zu finden und sicherzustellen, dass sie nicht als Ersatz für proaktive Emissionsminderungsmaßnahmen verwendet werden.
Im Gegensatz zu diesen Bedenken hat eine Studie von Trove Research im Jahr 2023 gezeigt, dass Unternehmen, die bereits CO2-Zertifikate kaufen, eher dazu neigen, ihre Bemühungen zur Emissionsreduktion zu beschleunigen, im Vergleich zu denen, die noch nicht in den freiwilligen CO2-Markt investiert haben. Der freiwillige Kauf von CO2-Zertifikaten verknüpft die Emissionen des Unternehmens mit einem gesetzten Preis. Folglich spiegelt sich diese Ausgabe in ihrem jährlichen Budget wider und bietet einen greifbaren Anreiz, interne Geschäftsprozesse für Emissionsreduktionen zu fördern. Die Studie ergab auch, dass die Auseinandersetzung mit CO2-Zertifikaten Unternehmen dazu veranlasst, ihre Klimaauswirkungen ernster zu nehmen und ihre Investitionen in Reduktionsstrategien zu erhöhen.
In den letzten Jahren haben Unternehmen zunehmend Net-Zero-Ziele festgelegt, die mit SBTi (Science-Based Targets Initiative) in Einklang stehen. Wenn Unternehmen sich zu diesen wissenschaftlich fundierten Zielen (SBTi) verpflichten, setzen sie sich ehrgeizige Ziele, um ihre Treibhausgasemissionen in Übereinstimmung mit dem zu reduzieren, was in der Wissenschaft als notwendig erachtet wird, um die globale Erwärmung auf weit unter 1,5 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Neben umfassenden Reduktionsmaßnahmen können CO2-Zertifikate für Unternehmen eine wichtige Rolle spielen, diese Ziele zu erreichen, insbesondere in Branchen, in denen es schwierig ist, Emissionen vollständig zu eliminieren. Durch den Beitrag in hochwertige Klimaschutzprojekte können Unternehmen ihre verbleibenden Emissionen kompensieren und ihre Verbindlichkeit zu den gesetzten Reduktionszielen zeigen.
Außerdem führt die Nachfrage nach CO2-Zertifikate zu einer direkten Finanzierung neuer Klimaschutzprojekte, die sonst nicht realisiert werden könnten. Dadurch wird das Wachstum nachhaltiger Initiativen gefördert und die Innovationskraft im Kampf gegen den Klimawandel gestärkt. Durch diesen Mechanismus werden CO2-Zertifikate zu einem wichtigen Treiber dringend benötigter Investitionen in Klimaschutzprojekte, die sowohl eine positive Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass CO2-Zertifikate auf dem freiwilligen Markt ein wertvolles Instrument zur Bewältigung des Klimawandels und zur Förderung nachhaltiger Projekte darstellen, wenn sie richtig eingesetzt werden. Durch eine effektive und transparente Nutzung von CO2-Zertifikate können wir echte Veränderungen fördern und den Übergang zu einer grünen Wirtschaft vorantreiben.
Trotz bestehender Herausforderungen, gewinnen CO2-Zertifikate zunehmend an Bedeutung und öffentlicher Aufmerksamkeit. Verschiedene Stakeholdergruppen arbeiten aktiv daran, standardisierte und verbesserte Methoden, klare Leitlinien und transparente Berichtsmechanismen zu entwickeln, um die Integrität und Effektivität von CO2-Zertifikate zu verbessern.
Laut Schätzungen der Taskforce on Scaling Voluntary Carbon Markets (TSVCM) wird die Nachfrage nach CO2-Zertifikate bis voraussichtlich 2030 stark ansteigen, bis 2050 ist sogar mit einer Steigerung um den Faktor 100 zu rechnen. Diese positive Entwicklung weist auf eine grundlegende Veränderung im freiwilligen CO2-Markt hin, dessen Wert bis 2030 auf beträchtliche 50 Milliarden US-Dollar oder mehr erreichen wird.
Unternehmen auf der ganzen Welt suchen nach Möglichkeiten, wie sie CO2-Zertifikate in ihre Nachhaltigkeitsstrategien integrieren können, so dass diese von Investoren, der Gesellschaft und politischen Entscheidungsträgern akzeptiert wird. Auf unserem Blog werden wir weiterführende Themen behandeln, wie beispielsweise die effektive Kommunikation von Klimabeiträgen als Unternehmen und warum regionale Klimaschutzprojekte ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen, um den Klimawandel zu mindern. Besuchen Sie gerne weiterhin unseren Blog für informative Artikel, die Sie auf Ihrem Weg zu einer grüneren und nachhaltigeren Zukunft unterstützen.
"Die Natur stellt uns schon heute Lösungen zur Verfügung, welche bezahlbar und hochskalierbar sind. Ich bin stolz darauf, dass Pina Earth hochwertige Projekte entwickelt und glaubwürdige Klimaschutzmaßnahmen umsetzt."
Leos Bloch, Lead Business Development bei Pina Earth
Liu, Z., Deng, Z., Davis, S. et al. Monitoring global carbon emissions in 2022. Nat Rev Earth Environ 4, 205–206 (2023).